WITHDRAW – Trampelpfad (2024)

Band: WITHDRAW
Album: Trampelpfad
Genre: Black Metal

Trackliste:
01. Trampelpfad
02. Deine Werte
03. Ein Weg
04. Gesenkte Fahnen
05. Ambivalenz
06. In Gedanken
07. Abgrund
08. Gewohnheitstier
09. Die Welt
10. Scheidenreich (wiederbefeuchtet)

9 Alben seit 2021? Das kreative Potential von Witege, Mastermind von WITHDRAW, erscheint unerschöpflich. Die Qualität leidet darunter keineswegs, denn Trampelpfad bietet enorme Abwechslung und Tiefgang, gewürzt mit einer Prise extravaganter Exzentrik. Nachdenkliche Klavierparts, gesprochene Worte im Stile von Angizia und an Summoning erinnernde Sounds eröffnen dieses Werk in bedächtiger Manier. Doch der Alleskönner wandelt die Stimmung schon bald und zeigt als musikalisches Chamäleon viele Facetten. Groovige Passagen sind neben aggressiven Hau-Drauf-Parts, eigensinnigen Vocals und höchst variabler Rhythmik wichtige Bausteine für ein dynamsiches Songgerüst. Der Meister vergisst hiebei auch nicht auf eingängige Refrains und schüttelt demnach einige Ohrenschmeichler aus dem kreativen Ärmel. Als lobenswertes Beispiel sei hier das epische Stück „Abgrund“ erwähnt: eine bedächtig gezupfte Einleitung (mit einer Sitar?) wird von harschen Blasts hinweggefegt, im Hintergrund sorgen feine Leads für melodischen Feinschliff. Herrlich griffig riffende Gitarren reißen mit und die garstigen und doch verständlichen, manchmal tweistimmigen Vocals präsentieren stimmige Texte, die ein Untergangsszenario zeichnen. Ein echter Volltreffer und treffsicherer Ohrwurm mit Anspruch, bei dem die obercoole Bassspur für zusätzliches Zungeschnalzen sorgt. Ein Anwärter für meinen Metal-Song des Jahres! Weitere Pluspunkte: ein paar martialische Beigaben und effektive Stop-and-go-Rhythmik sind äußerst spannend eingewoben („Ein Weg„), doomige Dissonanzen legen sich bei „Gesenkte Fahnen“ quer und kontrastieren die singende Leadmelodie und ein auftauchendes Marschthema. No easy listening here!
Direkter angelegte Wutausbrüche wie „Ambivalenz“ tönen zwischendurch recht stumpf heruntergeprügelt und offenbaren die musikalischen Qualitäten erst bei genauer Beschäftigung. Als Sahnehauberl versteckt Witege auch den einen oder anderen catchy Refrain und schafft so ein Albumwerk mit Wiedererkennungseffekt.

Fazit: Die Exzentrik von Dornenreich (bez. Text/Ausdruck) und jede Menge an rhythmischer Vehemenz verbinden sich auf diesem Album zu einem teils melancholischen, teils furios wütenden Konglomerat mit Hang zu überraschenden Wendungen, überzogen mit einer unkonventionellen, theatralischen Patina.

Ein Album wie ein expressionistisches Bild: kraftvoll, farbenfroh und tiefgründig.

Punkte: 9 / 10

Autor: Leonard