Morgengrau – Sehnen der Finsternis

Harmonische Klargitarren geleiten uns hinein in die Klangwelt des 2. Albums von MORGENGRAU. Die Musikintensität schwillt wie eine Welle immer mehr an, Shredder-Gitarrenlinien werden geschickt mit hymnischen Passagen und zurückhaltenden Momenten gekreuzt. Angenehm präsente Bassläufe zeugen von einem gelungenen Mix, denn alle Instrumente sind transparent gut abgemischt und die Kompositionen drücken glasklar aus den Boxen. Die giftige Stimme spuckt voller Inbrunst deutsche Texte über Tod und Teufel in die ungerechte Welt hinaus, kann sich aber in einigen Parts nobel zurückhalten, um längeren Instrumentalparts den Vorzug zu geben. Hier werden dann auch ungewöhnliche Harmonien verwendet, die ein bisserl unbequem und schräg klingen. Oft im Highspeed operierend, stets melodisch treibend, peitschen die variablen Stücke voran; gewieft setzten die Musiker unbemerkt fließende Taktwechsel ein, die den Songfluss wohlig variabel gestalten. Entspannt dahingleitende Motive steigern sich kontinuierlich bis zu einem fulminanten Ausbruch und reißen die Hörerschaft aus stiller Einkehr heraus – als würde ein Schiff nach ruhigem Seegang in einen Sturm geraten. Ein wunderbar episches Gitarrensolo glättet die Wogen wieder und lässt die Sonne aufgehen – das hat Hand und Fuß, ohne plakative Hooks oder Refrains zu bemühen. Eine Prise Komplexität fügt dem vielschichtigen Klangerlebnis eine weitere interessante Facette hinzu.

Fazit: MORGENGRAU finden die richtige Balance zwischen aggressiv peitschender, verzweifelt aufbegehrender Wut und wohldosiert eingestreuten, kontemplativen Atempausen – eingängige Refrains stehen hier nicht im Fokus, sondern eine meist bissige, manchmal bewusst gezügelte Gesamtemotion.

Punkte: 8 / 10

Autor: Leonard